Pressekonferenz zum „Tax-Ruling“

Am 20. November 2014 hielt déi Lénk eine Pressekonferenz, wo ich Stellung nahm zur Legalität der ‚Tax-Rulings‘, wem sie nutzen, wem sie schaden und was jetzt geschehen soll. Hier sehen das Video dazu sowie Unterlagen aus der Pressemappe …

 

Hier das Video zur Pressekonferenz …

… und hier die Erklärungen aus der Pressemappe:

„Tax-Ruling“ dient der Steueroptimierung der Konzerne und damit der Steuerminderung und Steuerhinterziehung. Die Steuerkonkurrenz zwischen den Staaten wird genutzt, um die Besteuerung der Gewinne möglichst niedrig zu halten; zurzeit tendieren diese gegen null bzw. haben oftmals schon null Prozent erreicht. In Luxemburg sind die gängigen Techniken dazu u.a. die Patent-Box (80% Steuernachlass), die Preise der Überführung von Gewinnanteilen sowie die Doppel-Nicht-Besteuerungsabkommen. Dies führt dazu, dass viele Konzerne auf ihren Riesengewinnen weniger Steuern zahlen als die Beschäftigten. ‚E.On‘ zahlt über ihre Luxemburger Finanzstruktur ‚Dutchdelta‘ auf 130 mio. Umsatz ganze 1.575 Euro Steuern, so viel wie ein Arbeiter der rund 2.500 Euro verdient!

Eine schädliche Praxis

Auch wenn Luxemburg „den Bogen viel zu lang und viel zu weit überspannt hat“, wie Finanzminister Gramegna sich ausdrückt, so muss man dennoch feststellen, dass Luxemburg nicht das einzige Steuerparadies für Multis ist. Steuerhinterziehung wird von zahlreichen europäischen und anderen Staaten organisiert. Die Praxis der ‚Rulings‘ gibt es in 22 EU-Ländern. Die Niederlande, Irland, Großbritannien, Belgien, Frankreich, usw.  haben andere Steuernischen. So gehen den Staaten Europas durch die Steuersparmodelle jedes Jahr rund 1.000 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren. Aber auch den wirtschaftlich weniger entwickelten Staaten der so genannten 3. Welt werden durch die Steuerhinterziehung in Europa jedes Jahr schätzungsweise 100 Milliarden Euro vorenthalten.

Die Praxis der Steueroptimierung im Interesse der Konzerne und Mächtigen ist nicht nur moralisch und ethisch verwerflich. Sie stößt derzeit auch an ihre natürlichen Grenzen. Wenn die Konzerne immer weniger Steuern zahlen, fehlen den Staaten irgendwann die Gelder für notwendige Investitionen in Infrastrukturen, Dienstleistungen und Sozialpolitik. Und dieser Zeitpunkt ist jetzt erreicht. Wir verstehen die Wut der Bürger und Schaffenden in vielen südeuropäischen Ländern, deren Staaten kein Geld mehr für notwendige Investitionen in lebenswichtige Infrastrukturen wie Schulen und Spitäler haben und deren Einkommen und Sozialleistungen ständig gekürzt werden. Parallel zur Steuerhinterziehung der Mächtigen und Reichen, werden die Bürger und Beschäftigten dazu angehalten, die Haushaltslöcher zu stopfen und mehr Steuern zu zahlen – sei es durch indirekte Steuern, sei es durch Steuern auf ihrem Einkommen. So auch in Luxemburg, wo soeben das 5. Sparpaket seit 2010 zur Debatte steht. Während die Konzerne und Kapitalbesitzer die eigentlichen Nutznießer dieser Steueroptimierung sind,  nehmen die sozialen Unterschiede sowohl innerhalb der wirtschaftlich entwickelten Länder, als auch zwischen Norden und Süden ebenso stetig wie dramatisch zu.

„Tax-Ruling“ in Luxemburg: Eine Praxis ohne legale Basis

Die Praxis der „Tax-Ruling“ oder Vorabsprachen, „Zusagen“, “Bindenden Aussagen“ hat in Luxemburg keine legale Basis! Das ist ein Fakt, an dessen Feststellung auch die Regierung nicht vorbei kommt. Doch besteht die einzige Schlussfolgerung der Regierung darin, dieser Praxis nun nachträglich eine legale, gesetzliche Basis zu geben. Dies will sie über das Gesetzesprojekt 6772 („Projet de loi relatif à la mise en oeuvre du paquet d’avenir- première partie (2015)“) tun.

Bisher beruht das „Tax-Ruling“ in Luxemburg lediglich auf einem Rundschreiben der Steuerverwaltung vom 21. August 1989. Darin wird einleitend hervorgehoben: “le droit des impôts directs ne connaît pas de disposition légale qui chargerait les fonctionnaires fiscaux de fournir aux contribuables ou à leurs mandataires, sur des cas d’imposition concrets, des renseignements qui les lieraient à l’occasion de l’imposition à effectuer pour une ou plusieurs années”. Im Folgenden wird ausdrücklich festgehalten, dass derartige Zusagen der Steuerverwaltung nicht getätigt werden dürfen, wenn „das Hauptanliegen darin besteht, einen steuerlicher Vorteil zu erlangen“! Als Beispiel  unzulässiger Absprachen wird „die Untersuchung von Schemen zum Einsparen von Steuern, so genannte ‚Steuersparmodelle‘“, angegeben. Doch genau dies ist – wie die rezenten Enthüllungen um LuxLeaks beweisen – bei den meisten „Tax Rulings“ in Luxemburg der Fall. Diese entbehren also nicht nur jeglicher legalen Grundlage, sie verstoßen auch gegen die luxemburgischen Mindestregeln, die im Bereich „Tax-Ruling“ aufgestellt wurden. Etwas, das keine legale Basis hat und gegen minimale Regeln verstößt, ist illegal!

Illegale Praxis jetzt Stoppen!

Wir sind der Meinung, dass die Praxis der „Bindenden Zusagen“ durch die Steuerverwaltung („Tax-Ruling“), die nicht nur ethisch und moralisch verwerflich ist und letztendlich immer mehr schadet, sondern jeglicher legalen Grundlage entbehrt und gegen Mindestregeln verstößt, sofort gestoppt werden muss.

In seiner Antwort auf die mündliche parlamentarische Frage von déi Lénk (19.11.2014), ob die Regierung gewillt sei, die Praxis der Steuerrulings zumindest bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage auf Eis zu legen, meinte Premier Bettel lapidar: „Hei ass d’Fro gestallt ginn, ob d’Rulingen weidergefouert ginn an d’Äntwert ass: Jo“. Dies ist ein schamloses Bekenntnis zur Illegalität, unverantwortlich und zerstört das Ansehen der Luxemburger Demokratie.

Zahlreiche offene Fragen

Darüber hinaus stellen sich zahlreiche Fragen, die wir schon zum Teil in der Finanzkommission aufgeworfen haben, und auf die es zum größten Teil noch keine Antworten gibt. Wir werden die Liste dieser Fragen vervollständigen (siehe Anhang: Questionnaire  concernant la pratique du tax-ruling au Luxembourg – première ébauche“), damit die Finanzkommission sich, wie geplant, in ihrer Sitzung vom 5. Dezember 2014 mit diesen Fragen beschäftigt und der Regierung präzise und ausführliche Antworten abverlangt. Wir werden diesen Fragekatalog ab heute veröffentlichen, damit alle interessierten Bürger/innen und Akteure der Zivilgesellschaft, uns ihre zusätzlichen Fragen mitteilen können. Den vervollständigten Fragebogen wollen wir der Finanzkommission am Mittwoch, den 26. November 2014, übermitteln.

Es ist geplant, während der Sitzung der Finanzkommission vom 5. Dezember einen Zeitplan aufzustellen, wie und wann die offenstehenden Fragen zur Praxis des „Tax-Ruling“ geklärt werden sollen.

Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss

Ob dies – selbst wenn der politische Wille dazu besteht – durch eine normale Kommission der Abgeordnetenkammer, mit den beschränkten Mitteln über die diese verfügt, überhaupt möglich ist, wagen wir zu bezweifeln. Wir sind überzeugt, dass das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses diesbezüglich viel wirksamer ist und angesichts der Faktenlage notwendig ist. Ein Untersuchungsausschuss verfügt über ausgedehnte Rechte, wie ein Untersuchungsrichter, die es ihm erlauben, alle aufgeworfenen Fragen zu untersuchen. Ein solcher Untersuchungsausschuss sollte auch mit ähnlichen Strukturen anderer Länder sowie des EU-Parlamentes zusammenarbeiten, um die länderübergreifende Praxis der Steuerhinterziehung zu durchleuchten. Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative der Grünen Fraktion im Europaparlament – die ebenfalls von der linken Fraktion von GUE/NGL unterstützt wird – auch dort einen entsprechenden Untersuchungsausschuss einzurichten.

Nicht zuletzt ist es wichtig, über Alternativen zur bestehenden Praxis der „Steueroptimierung“, bzw. Steuerhinterziehung der Konzerne zu reden.

Alternativen zur Steuerhinterziehung sind möglich und notwendig

Es gilt diese rückschrittliche Politik der Umverteilung von unten nach oben, der zunehmenden Ungleichheiten, die weltweit zu sozialen Explosionen führen wird, zu stoppen. Schon bei der direkten Verteilung des geschaffenen Reichtums müssen die Beschäftigten, mittels gerechten Lohns, einen wesentlichen Anteil bekommen. Zudem würde eine wirkliche Steuergerechtigkeit, bei der die Konzerne ihren Anteil beitragen, die Steuerlast der Beschäftigten und Haushalte reduzieren und die Einkommen der Staaten an die Bedürfnisse einer sozial gerechten, redistributiven Politik anpassen.

Transparenz als Voraussetzung

Voraussetzung dazu ist die vollkommene Transparenz in Steuerfragen, auch und vor allem bei der Betriebssteuer. Die Öffentlichkeit soll das Recht haben, die Steuertricksereien nicht erst durch Leaking und investigativen Journalismus zu erfahren. Wir verlangen, dass sowohl  die Besitz- und Gewinnverhältnisse als auch die Steuervorabsprachen und Steuerbeiträge Land für Land  („country by county-reporting“) der Unternehmen bekannt gemacht werden durch Transparenz über Gewinn, Steuern, Umsätze, Zahl der Arbeitnehmer, usw. … Dies gilt ab 2015 durch die Capital Requirements Directive (CRD) bereits für Banken. Durch eine Anpassung der EU-Rechnungslegungsrichtlinie ließe dies sich auf die Großunternehmen aller Wirtschaftsbereiche ausweiten. Ein öffentliches Register mit diesen Angaben wäre ein erster Schritt zur notwendigen Transparenz.

Wie oben erwähnt basieren viele Steuersparmodelle darauf, reale Gewinne mit scheinbaren Verlusten in Rechnung zu stellen, indem ein Teil eines Konzerns einem anderen Teil Zinsen und Lizenzgebühren zahlt. Die Finanzzentren der Konzerne werden dort angesiedelt, wo die niedrigsten oder (fast) keine Steuern zu zahlen sind (wie Starbucks in den Niederlanden, Fiat, Amazon, E.on in Luxemburg, usw.…). Diese Schlupflöcher müssen geschlossen werden, was durch eine Anpassung der Zinsen- und Lizenzgebührenrichtlinie und der Fusionsrichtlinie möglich ist.

Bemessungsgrundlage und Mindeststeuer

Auch benötigen wir eine einheitliche Bemessungsrundlage für die Unternehmenssteuer. Derzeit ist von Land zu Land verschieden, worauf Unternehmen ihre Körperschaftssteuer zu entrichten haben. Eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vereinfacht die Rechnung und muss für grenzüberschreitende Konzerne obligatorisch werden. Diese kann nicht mehr von Land zu Land  aufgestellt, sondern muss global, für den ganzen Konzern, festgestellt werden. Die Steuern sind dann proportional zu den Aktivitäten in den einzelnen ändern zu entrichten.

Nicht zuletzt benötigen wir Mindeststeuersätze für die Unternehmensbesteuerung in Europa. Wie bei der Mehrwertsteuer sollen bei der Betriebssteuer gemeinsame EU-Weite Mindestregeln festgelegt werden, damit der Steuerwettbewerb die Staaten nicht in den Ruin treibt. Auch die Steuerflucht nach Drittstaaten und Steueroasen kann durch einen erweiterten automatischen Informationsaustausch, Quellensteuer und Mindeststandards für Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten unterbunden werden.

Note ATC no 3 du 21 08 1989 sure les décisions anticipatives (rulings)

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