Kloertext: Freiheit für den Großherzog!

Als die Redaktion des Journal mich fragte, ob ich bereit sei, einen Klartext zu ihrem Thema des Tages „Großherzog wird 60“ zu schreiben, hab ich erst nachgefragt ob diese Stellungnahme „bierernst oder auch etwas satirisch“ sein dürfte;  nachdem mann mir versichtert hatte, „bierernst“ müsste nicht sein, hab ich folgenden Beitrag abgeliefert, der heute im Journal unter der Rubrik ‚Kloertext‘ veröffentlicht wurde:

Freiheit für den Großherzog!

Sind wir alle schuld? Schuld daran, dass ein Mensch, wie der Großherzog, von Geburt an diskriminiert wird?

Von Geburt an wird ihm vorgeschrieben, was er zu tun und zu lassen hat. Über ihn und sein Leben bestimmen Artikel 3 der Verfassung Luxemburgs sowie der Familienpakt der Familie Nassau (Erbverein) vom 30. Juni 1783, die beide vorschreiben, dass der Erstgeborene (Sohn) der Familie Nassau Thronfolger Luxemburgs wird.

Und seitdem war dem so! Bis 1912, als dem Großherzog Guillaume IV kein Stammhalter geboren worden war und Marie-Adelaide Thronfolgerin wurde. Bis zum 28. September 1919, als das (Luxemburger) Volk per Referendum beschloss, doch lieber die Zweitgeborene, Charlotte, zur Staatschefin zu nehmen.

An dieser Erbfolge nach Primogeniturrecht hat sich bis heute nichts geändert, außer dass der derzeitige ‚Hauschef‘ der Nassaus, Henri, es 2010 für ratsam ansah, den Nassauischen Erbverein einer Revision zu unterziehen, damit die Thronfolgeregelung nicht mehr zwischen Söhnen und Töchtern unterscheidet.

Doch für Henri selbst kam die Revision zu spät. Wäre die New Yorker UN-Konvention von 1979 zur Abschaffung der Frauendiskriminierung nämlich ohne den Vorbehalt für Luxemburgs Herrscherhaus umgesetzt worden, hätte Henri die Thronfolge 2000 überhaupt nicht anzutreten brauchen; dann wäre seine um 14 Monate ältere Schwester Marie-Astrid zur Nachfolgerin von Großherzog Jean prädestiniert gewesen.

Dann hätte man Henri auch nicht bei seiner Inthronisierung das Wahlrecht weggenommen; seitdem darf er nämlich nicht mehr wählen und an Referenden teilnehmen.

Henri zu Nassau ist kein normaler Bürger, mit normalen Rechten. Er hat nicht nur kein Wahlrecht, er ist auch nicht wählbar, er darf sich keiner Wahl stellen, darf nicht einmal seinen Beruf frei wählen: er ist auserwählt, von Geburt an! Er darf Gesetze unterschreiben, jedoch nicht über deren Inhalt mitentscheiden. Er hat kein Recht, seine eigene Meinung frei zu äußern, während Andere in seinem Namen richten oder Staatsverträge aushandeln. Als Hausherr von Nassau muss er zwar via Fideikommiss den gesamten Familienbesitz verwalten, darf aber keine Verantwortung für den Staat übernehmen, dessen Oberhaupt er sein soll. Alles was er als Staatschef beschließen will, muss von einem Diener (Minister genannt), der die Verantwortung dafür übernimmt, gegengezeichnet werden.

So läuft es im Staate Luxemburg und im Nassauer Erbverein seit 1783; inzwischen gab es die Französische Revolution,  die Pariser Kommune, die russische, die kubanische und viele weitere Revolutionen, zwei Weltkriege, über 200 Staatspleiten, Hungeraufstände, Kyoto, Fukushima und den Mauerfall. Doch im Staate Luxemburg und dem Nassauer Erbverein hat sich (fast) nichts geändert.

Wir alle möchten unsere Schuld lindern, im Namen des Volkes dem Großherzog endlich von seinem Joch befreien und ihm die Freiheit gewähren, auf die heutzutage ein jeder Mensch Anrecht haben sollte! Er soll beim Referendum vom 7. Juni selbst mitentscheiden können, ob wir die Staatsform der konstitutionellen Monarchie kurzfristig durch die einer parlamentarischen Demokratie ersetzten.

Freiheit für Henri!

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